Jörg Sasse - Texte
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Kurztext über die Arbeit '6951, 2001' von Jörg Sasse

Erschienen als Katalogbeitrag zum Sammlungsband der Bremer Landesbank

Jörg Sasse hat sich von Beginn an weniger als Fotograf denn als ein Künstler verstanden, der in Auseinandersetzung mit fotografischen Bildern deren Bedingungen und ihre Wahrnehmung analysiert. Was zeichnet ein gutes Bild aus? Wie lässt sich Realität in starke Bilder transformieren? Wie unterscheiden sich Bilder von angeblich wirklichkeitsgetreuen Schnappschüssen, deren Realitätsgehalt dennoch immer hinterfragbar bleibt. Bereits in seinen frühen farbigen Fotografien von Stillleben aus den 1980er Jahren ging es Sasse darum, die visuelle Eigenlogik des fotografischen Bildes herauszuarbeiten. Er zeigt Bilder, die visuell so stark sind, dass die Bedeutung des Abgebildeten sekundär wird.
6951, 2001 (50 x 80 cm)
Seit Beginn der 1990er Jahre begann Sasse mit der Verwendung und Bearbeitung von nicht selbst produziertem Fotomaterial, meist Amateuraufnahmen. Hierfür legte er ein riesiges Archiv an, das er in unterschiedlichste Gruppen kategorisierte. In seiner von ihm selbst programmierten Datenbank werden die Bilder mit zufällig generierten Zahlenkombinationen nummeriert, aber nicht bezeichnet. Grob überarbeitete Motive nennt er „Skizzen“, umfangreichere Bildmontagen „Tableaus“. Im Gegensatz zu den Datenbanken der Stock Photography geht es also nicht um Begriffskataloge, in denen Bilder nach Schlagworten abgefragt werden können, um sie lediglich als Illustrationsmaterial zu verwenden. Sasse organisiert das Bildmaterial nach visuellen und inhaltlichen Eigenschaften, für die erst Hilfsbegriffe gefunden werden müssen.

Bei der digitalen Bearbeitung geht es ihm weniger um die Thematisierung der Manipulierbarkeit des Bildes, als um die Herausarbeitung des visuellen Möglichkeitspotentials, das immer nach allen Seiten offenbleiben kann. Seine „Arbeit am Bild“ gilt immer dem einzelnen Stück. Ein weiterer Schwerpunkt seiner aktuellen Arbeit liegt in der Zusammenstellung sogenannter Speicher, in denen mehrere hundert Bilder bereit gestellt werden, aus denen die Ausstellungsbesucher selbst – mit Hilfe eines ausgeklügelten Nummern- und Zuweisungssystems –, eigene Serien hängen können.

Das Bild 6951 entstand 2001 als Editionsbeitrag im Rahmen der Einzelausstellung des Künstlers in der Kunsthalle Bremen. Hierfür verwendete er einen Ausschnitt aus einem Gemälde aus der Sammlung: die Landschaft bei Cava die Tirreni aus dem Jahr 1778 von Jakob Philipp Hackert (1737–1807). Sasse konzentriert sich auf die Hintergrundlandschaft, die die Silhouette des Monte Finestra zeigt, entfernt Tiere, Bäume und Häuser des kleinen Städtchens La Cava bei Salerno. Während er in seinen Fotografien nicht zuletzt malerische Qualitäten herausarbeitet, entfernt er in dem vergrößerten Detail Hinweise auf die malerischen Spuren des abgebildeten Originals, wie Craqueléen oder Risse, um das fotografische Moment des Bildes herauszuarbeiten.

Sabine Maria Schmidt, 2017